3 Fragen an… Dr. Leonie Wenz

3 Fragen an… Dr. Leonie Wenz

Leitung Arbeitsgruppe datengestützte Analyse von Klimaentscheidungen, PIK

Erstmal herzlichen Glückwunsch zum Piers Sellers-Preis, den Sie jüngst verliehen bekommen haben. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der Untersuchung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kosten in der Klimakrise. Wie ist dazu der aktuelle Stand Ihrer Forschung?

Unsere Forschung zeigt, dass die Kosten des Klimawandels gigantisch sind. Allein die rein wirtschaftlichen Folgen durch Temperatur- und Niederschlagsänderungen werden sich Mitte des Jahrhunderts auf Billionen US Dollar jedes Jahr belaufen, wie wir in einer kürzlich in Nature erschienen Studie gezeigt haben. Im globalen Durchschnitt rechnen wir mit wirtschaftlichen Verlusten von 19% Mitte des Jahrhunderts gegenüber einem Szenario ohne Klimawandel. In einzelnen Regionen der Welt können die wirtschaftlichen Verluste noch deutlich höher sein. Diese Schäden sind die Konsequenz unserer bisherigen Emissionen. Bis Ende des Jahrhunderts könnten sie noch deutlich größer ausfallen, sollte es uns nicht gelingen, das Klima besser zu schützen. Hinzu kommen viele weitere Folgen und Kosten des Klimawandels, die sich nicht direkt in Geldwerten messen lassen, aber für uns große Bedeutung haben, etwa der Verlust von Heimat, Menschenleben und Artenvielfalt oder auch die Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen mit dem Fokus auf soziale Ungerechtigkeiten?

Der Klimawandel betrifft nahezu alle Lebensbereiche und Regionen der Welt. Gleichzeitig sind viele Folgen sehr ungleich verteilt, sowohl zwischen als auch innerhalb von Ländern. Grundsätzlich trifft es diejenigen, die am wenigsten Verantwortung für den Klimawandel tragen und am wenigsten Möglichkeiten haben, sich an seine Folgen anzupassen, am härtesten. Beispielsweise werden die wirtschaftlichen Verluste in Ländern, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind, voraussichtlich 40 Prozent höher sein als in den Ländern mit mehr Emissionen und 60 Prozent höher als in Ländern mit besserem Einkommen.

Auch in Deutschland rücken u.a. aufgrund von Extremwettereignissen sozio-ökonomische Aspekte immer stärker in den Diskurs. Warum sind wir trotzdem in vielen Bereichen, bspw. bei der Mobilitätswende, zu langsam?

Klimaschutzmaßnahmen werden oft als wirtschaftliche Belastung dargestellt. Dabei ist es viel günstiger, unser Klima zu schützen als dies nicht zu tun. Bereits die wirtschaftlichen Verluste, die wir in der Nature-Studie für Mitte des Jahrhunderts ermittelt haben, sind sechs Mal höher als die Kosten, die es brauchen würde, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Neben allen anderen Gründen für Klimaschutz, wie etwa der Vermeidung von unabwägbaren Risiken, gibt es also auch einen ganz klaren ökonomischen Anreiz.

Das Interview wurde im Juli 2024 geführt.

Studie Nature (04/2024): The economic commitment of climate change

Bild: Jenna Dellwitz