Sie haben Kulturwissenschaften mit Schwerpunkt nachhaltige Textilien studiert, 2014 in Berlin ihr eigenes Unternehmen LOVECO gegründet, mit dem Sie 2020 Berliner Unternehmerin des Jahres geworden sind. Wieso ist es wichtig, dass die Nachhaltigkeit von Textilien (-produktion) mehr öffentliche Aufmerksamkeit bekommt?
Die Textilindustrie ist nach der Ölindustrie die zweitschmutzigste Industrie der Welt. Weltweit arbeiten 60 Millionen Menschen in Textilfabriken. Diese Zahlen zeigen, wie viel Impact die Branche haben kann. Genau deshalb ist es wichtig, dass sie nachhaltiger wird. Das Thema ist für viele Menschen nicht so präsent, weil sie Mode nicht Zusichnehmen, wie Nahrungsmittel, und die Produktion weit entfernt von unserem Alltag stattfindet. Bei Lebensmitteln ist das Bewusstsein deutlich größer als im Bekleidungssektor. Für ein ähnliches Bewusstsein wollen wir auch im Textilbereich sorgen. Ich weiß aus meiner täglichen Arbeit, dass es bereits viele innovative Ansätze von Marken, Organisationen und Produzent*innen gibt, wie das System Mode für Umwelt, Mensch und Tier besser werden kann. Ich möchte, dass mehr Menschen von ihnen erfahren und einen Zugang zu nachhaltiger Kleidung erhalten.
Welche Verantwortung tragen Sie als lokale Unternehmerin hinsichtlich der globalen Herausforderung des Klimawandels?
Unternehmer*innen haben viele Möglichkeiten das Voranschreiten des Klimawandels zu beeinflussen. Sie können durch ihre täglichen Entscheidungen ein alternatives Wirtschaftssystem etablieren.Dadurch, dass die Rohstoffe für Bekleidung kaum in Deutschland angebaut werden, kann ich durch meinen Einkauf bei den Marken auch globalen Einfluss nehmen. Bestelle ich meine Ware bei nachhaltigen Modemarken, die z. B. Projekte zur fairen Bezahlung von Textilarbeiter*innen oder zum biologischen Anbau von Baumwolle umsetzen, unterstütze ich damit Menschen in anderen Teilen der Welt, die den Klimawandel schon viel deutlicher spüren als wir hier in Deutschland.Deshalb sehen wir es nicht nur als unsere Aufgabe an, den Verkauf von nachhaltiger Kleidung voranzubringen, sondern auch, Menschen über die Situation in der Modeindustrie aufzuklären. Das machen wir in unserem Online-Shop via loveco-shop.de, in unserem Ratgeber, in unserem Online-Magazin, auf unseren Social Media Kanälen und (vor/nach Corona) bei Filmabenden und Diskussionsrunden. Außerdem möchten wir natürlich auch andere Modefirmen, vor allem große, dazu anregen, es uns gleich zu tun. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass auch von der Politik Unterstützung und Kontrollen kommen müssen, damit wir wirklich etwas bewegen können.
Was wünschen Sie sich persönlich für die Zukunft der Textilwirtschaft?
Ich wünsche mir persönlich, dass sich die Textilwirtschaft langfristig verändert. Viele Unternehmen werben mit nachhaltigen Konzepten, sind aber am Ende nur von kurzfristigen Greenwashing-Kampagnen getrieben, um ihr Image aufzubessern. So etwas ärgert mich und ich wünsche mir sehr, dass das große Ganze gesehen wird. Denn es ist unser aller Planet, auf dem wir leben. Und was wir ihm zufügen, wird sich auf anderer Ebene rächen. Die Modebranche muss sich entschleunigen und mehr Wert auf nachhaltige Materialien, Kreislaufwirtschaft sowie Menschenrechte legen. Genau deshalb haben wir auch zu Beginn der Pandemie mit Gleichgesinnten die Initiative Fair Fashion Solidarity gegründet. Ich wünsche mir, dass alle Akteur*innen beginnen, Verantwortung zu übernehmen, entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Das Interview wurde im März 2021 geführt.
Bild: Sarah Fitzbauer