Sie haben in Neuruppin eine Aktionsgruppe von Fridays For Future (FFF) mitgegründet und sind Sprecher von FFF in Brandenburg. Wie engagieren Sie sich für den Klimaschutz unter Pandemiebedingungen?
Jede Krise muss wie eine Krise behandelt werden. Daher haben wir unsere Aktionsformen coronakonform umstrukturiert. So fand beispielsweise beim globalen Klimastreik am 24. April 2020 die bisher größte Online-Demo Deutschlands statt. Viele Offlineformate wurden ins Netz verlagert. Dort ist es auch unter Pandemiebedingungen möglich, Menschen zu erreichen und klimagerecht weiterzubilden. Das Internet bietet die Möglichkeit, besonders im Vergleich zu einer Kleinstadt wie Neuruppin, hohe Reichweiten zu erzielen. Ebenfalls kann so der Fokus gut auf die „Most Affected People and Areas“ (MAPA) gelenkt und sich international vernetzt werden. Lokal sind kleinere und sichere Aktionen auch weiterhin möglich. Der Protest geht somit weiter – nur in anderer Form.
Im öffentlichen Diskurs werden häufig Parallelen zwischen der Corona-Krise und der Klima-Krise gezogen. Welche Erfahrungen des letzten Jahres sollten aus Ihrer Sicht bei der Überwindung des „knowlegde-action- gap“ für eine bessere Klimapolitik genutzt werden?
Wenn wir eins gelernt haben, dann dass die Politik tatsächlich handeln kann, wenn sie möchte. Die Pandemie hat gezeigt, dass die Politik bereit ist, viel Geld zu investieren, um einer ernsten Bedrohung entgegenzuwirken. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass die Klimakrise von der Politik nicht als die Bedrohung gesehen wird, die sie ist. Ein Ernstnehmen beider Krisen ist immens wichtig, ohne sie gegeneinander auszuspielen. Es scheint, als würde das Bewusstsein dafür fehlen, was mit der Klimakrise auf uns zukommen wird. Doch das Wissen ist da und die Auswirkungen sind schon heute sichtbar. Wir haben im Moment die vielleicht letzte Gelegenheit, eine globale Klimakatastrophe noch abzuwenden. Dafür muss die Politik anfangen, die Erkenntnisse aus der Wissenschaft auch diesbezüglich ernst zu nehmen und entsprechend zu handeln statt Lobbyinteressen zu folgen. Wir haben gerade die Chance, auch unser (Wirtschafts-) System komplett neu zu strukturieren, anstatt in die alte, problematische „Normalität“ zurückzukehren. Diese Chance sollte entschlossen genutzt werden.
Was erwarten Sie von der Wissenschaft, um einen sozialen und klimagerechten Weg in die Zukunft einzuschlagen?
Neben weiterer Forschung für Klimaschutz- und -anpassung muss außerdem das Erforschen von Möglichkeiten, wie Klimaschutz auch für finanziell weniger privilegierte Menschen und Staaten lukrativ wird und umgesetzt werden kann, fokussiert werden. Klimaschutz darf kein Privileg sein. Die Klimakrise ist intersektional und muss auch so gelöst werden. Dazu müssen vermehrt beispielsweise FINTA* (Frauen, Inter, Nicht-Binär, Trans, Agender, Anm. d. Red.), BIPoC (Black, Indigenous and People of Color, Anm. d. Red) und MAPAs auf allen Ebenen in die Forschung einbezogen werden, um eine größtmögliche Perspektivität abzudecken. Die Erkenntnisse müssen zudem in einer für die breite Gesellschaft angemessenen Sprache kommuniziert werden.
Das Interview wurde im März 2021 geführt.
Bild: FFF Hamburg