Mit Yeşil Çember haben Sie ein interkulturell-ökologisches Netzwerk für Umweltthemen und nachhaltige Lebensstile in der türkischen Kultur geschaffen. Wie wichtig ist die interkulturelle, gesellschaftliche Zusammenarbeit beim Schutz von Klima und Natur?
Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die alle Menschen betreffen – egal, welche Sprache sie sprechen. Alle Menschen tragen Verantwortung und können zum Klima- und Naturschutz beitragen. Es sollte für alle deutsche Umweltakteur*innen selbstverständlich sein, dass auch die migrantische Akteur*innen angesprochen und als Partner*innen gewonnen werden. Nur so können wir die große Herausforderung Klimawandel erfolgreich bewältigen.
Yeşil Çembers Ansatz ist denkbar einfach: Bereits bekannte Themen neu denken und mit interkulturellen Partnerschaften verknüpfen. Dazu gehören z. B. klimafreundliches Fastenbrechen, müllfreie Picknicks, Pflanzaktionen. Diese Begegnungen zwischen deutschen Akteur*innen und den migrantischen Communities schaffen Vertrauen und bilden inspirierende Zukunfts-Brücken. Um diesen kultursensiblen Ansatz zu verbreiten, bietet Yeşil Çember interkulturelle Beratungen an.
Welche Maßnahmen müssen zukünftig von Politik, Gesellschaft und Wissenschaft ergriffen werden, um auch bildungsbenachteiligte Menschen an eine nachhaltige, klimaschützende Lebensweise heranzuführen?
Wir können theoretisch alle Menschen in der Gesellschaft für den Klimaschutz aktivieren – wenn wir sie dort abholen, wo sie stehen und die direkte Betroffenheit sichtbar machen. Das bedarf einerseits niedrigschwelliger, kultursensibler und partizipativer Angebote und andererseits sind unbedingt politische Rahmenbedingungen nötig, die kompromisslos alle für eine CO2-neutrale Gesellschaft notwendigen Weichen stellen.
Durch welche Erfolgsbeispiele aus Ihrer langjährigen Arbeit wird deutlich, was jede*r Einzelne im Alltag dazu beisteuern kann, um Ressourcen zu schonen und ökologisch nachhaltig zu leben?
Wir schulen seit Jahren Umweltbotschafter*innen, die ihr Wissen und Erfahrung an die Freunde und Bekannte weitergeben. Wir bekommen sehr viel positives Feedback, z. B. sagen viele: „Warum hat uns das bisher keiner gesagt, dass unser Konsumverhalten solche schlimmen Folgen hat“. Viele Menschen sind im Herzen bereit, etwas Gutes für die Zukunft ihrer Kinder zu tun. Nur manche wissen nicht genau, was konkret sie dafür tun können. Nach unserer kultursensiblen und niederschwelligen Umweltschulung wechseln sie den Stromanbieter und die Bank, kaufen unverpackt und regional ein, essen weniger Fleisch, schauen nach den Siegeln und hinterfragen die Produktketten. Der neu erworbene Lebensstil wird dann beim Tee stolz weitererzählt und der ökologische Wandel geht weiter…
Das Interview wurde im August 2021 geführt.
Bild: Mehmet Werner