Wie können klimawissenschaftliche Erkenntnisse und Lösungsvorschläge schneller und effektiver für politische Entscheidungsprozesse genutzt werden?
Wir können in der Hauptstadtregion auf eine unglaublich breite wissenschaftliche Expertise zurückgreifen, die in Deutschland wirklich einmalig ist. Dieses Potenzial nutzen wir vielfach für die Arbeit des Senats, das gilt natürlich auch für unser Ziel, Berlin zu einer klimaneutralen Stadt zu machen. Die Hauptstadtregion muss sich als Reallabor für den Klimaschutz und für den Umgang mit dem Klimawandel begreifen, von dem wesentliche Impulse und Innovationen ausgehen. Dafür ist ein noch engerer Draht zwischen der Wissenschaft und Politik unabdingbar. Zusammen mit dem Präsidenten der TU Berlin habe ich diesen Anspruch in einem gemeinsamen Beitrag* für eine Tageszeitung bekräftigt. Ich bin davon überzeugt, dass das Climate Change Center Berlin Brandenburg hierfür einen erheblichen Beitrag leisten kann, indem es verschiedene Kompetenzen in unserer Region bündelt und zu einer wichtigen Schnittstelle für die konkreten Anliegen und Bedarfe der Politik wird – und zwar auf allen Ebenen, von den Rathäusern der Bezirke bis zum Senat, für Verwaltungen, landeseigene Unternehmen und viele weitere Akteure.
Welche Beispiele für eine gelungene Umsetzung von klimaschutzbezogenen Lösungen würden Sie für die Region Berlin-Brandenburg anführen? In welchen Bereichen besteht noch Verbesserungspotenzial?
Berlin hat seit der Wende 40 Prozent seiner CO2-Emissionen eingespart, wir treiben den Kohleausstieg und den Ausbau erneuerbarer Energien voran und stärken den öffentlichen Personennahverkehr. Unser Energie- und Klimaschutzprogramm mit konkreten Strategien und über 100 Maßnahmen hilft uns, bis spätestens 2050 die Klimaneutralität für Berlin zu erzielen. Das alles hat natürlich auch Auswirkungen auf die gesamte Metropolregion, genauso wie Brandenburgs Maßnahmen sich auf Berlin auswirken. In vielen Bereichen, wie etwa der Energieversorgung und dem Verkehr, gibt es eine enge Verflechtung zwischen unseren Bundesländern und dementsprechend seit Jahren eine immer engere Abstimmung. Aber es gibt großes Potenzial, gemeinsam noch mehr für den Klimaschutz zu erreichen und wir müssen auch bei den Maßnahmen zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels noch mehr an einem Strang ziehen. Das sind auch zentrale Themen im derzeit entstehenden Strategischen Gesamtrahmen Berlin-Brandenburg, mit dem wir unsere Zusammenarbeit auf eine neue Stufe heben wollen. Von einer besseren Verzahnung in der regionalen Energieversorgung und der Kreislaufwirtschaft, über den Ausbau der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur, bis hin zu einer gemeinsamen Holzbau-Offensive gibt es schon viele konkrete Ideen, die wir in den kommenden Jahren umsetzen wollen. Das gilt auch für mehr Kooperation in der Wissenschaft und Forschung.
Lieber Herr Müller, welches ist das einschneidendste Erlebnis, was Sie persönlich mit dem Klimawandel, verbinden?
Ich vermute, meine ersten prägenden Eindrücke sind nicht viel anders, als bei der Mehrheit der Menschen in Deutschland. Bilder von schmelzenden Polkappen, Berichte über das wachsende Ozonloch und natürlich auch Aufnahmen vom Ausmaß des Klimawandels aus dem All, das alles hat unsere Wahrnehmung zunächst geprägt. Gefühlt ferne Ereignisse, dabei ist der Klimawandel längst bei uns angekommen. Das erleben wir immer deutlicher, wenn sich U-Bahn-Eingänge durch Starkregen zu Wasserfällen verwandeln, tropische Nächte uns den Schlaf rauben, Tiere und Pflanzen mit anhaltender Trockenheit und sinkenden Grundwasserspiegeln kämpfen. Der Klimaschutz ist eine der größten Aufgaben für unsere Gesellschaft und deshalb machen wir ihn auch zu einem der zentralen Themen in dem Berliner Wissenschaftsjahr 2021. Zusammen mit unseren Hochschulen und Forschungsinstituten wollen wir den gesellschaftlichen Diskurs stärken und sichtbar machen, wie die Wissenschaft zur Bewältigung des Klimawandels beiträgt. Es ist wichtig, dass sich das Climate Change Center Berlin Brandenburg daran aktiv beteiligt, in 2021 und darüber hinaus.
Das Interview wurde im Januar 2021 geführt.
Bild: Lena Giovanazzi