3 Fragen an… Michael Wimmer
Ernährung Portrait

3 Fragen an… Michael Wimmer

Gründer und Geschäftsführer Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL) e.V.

Herr Wimmer, Sie haben im Jahr 2000 mit 16 Gleichgesinnten die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL) e.V. gegründet, die sich mit zahlreichen Projekten für mehr Bio in unserer Region einsetzt. Wieso ist Ihnen Naturschutz auf Agrarflächen ein besonderes Anliegen?

Wir beobachten seit Jahren einen dramatischen Rückgang der Artenvielfalt auf landwirtschaftlichen Flächen. Und obwohl Brandenburg bereits einen hohen Ökoflächenanteil hat, sind die schützenswerten Landschaften, sogenannte Lebensraumtypen, in einem schlechteren Zustand als im Bundesdurchschnitt, auch die Arten von Roten Listen gehen zurück. Wir müssen dringend handeln! Die ökologische Landbewirtschaftung ist für den Artenschutz und die Biodiversität ein hoher Gewinn. Ökobetriebe wirtschaften weniger intensiv und verzichten auf Pestizide und chemisch-synthetische Dünger. Die Biodiversität auf ökologisch bewirtschafteten Flächen ist um ein Vielfaches höher als auf konventionellen Äckern. Die mittleren Artenzahlen der Ackerflora sind laut Thünen-Institut bei ökologischer Bewirtschaftung um 95 Prozent höher, auch ist die Anzahl an Feldvögeln und Insekten deutlich größer. In unserem Naturschutzprojekt sensibilisieren und beraten wir u.a. ökologisch und konventionell wirtschaftende Landwirtschaftsbetriebe, (mehr) Natur- und Artenschutzmaßnahmen umzusetzen.

Mit Ihrem Projekt „GanzTierStark“, an dem auch die TU Berlin beteiligt ist, sollen Kantinen in der Region Berlin-Brandenburg unterstützt werden, Bio-Rindfleisch aus artgerechter Weidehaltung anzubieten. Welche Chancen und Herausforderungen bringt der verstärkte Einsatz von regional und umweltfreundlich erzeugten Produkten in der Stadt-Land-Partnerschaft mit sich?

Zunächst: Das Interesse an regional, artgerecht und ökologisch erzeugten Lebensmitteln wächst in der Bevölkerung stetig an. Verbraucher*innen wollen mit ihrem Ernährungsverhalten Einfluss nehmen auf Themen wie Tierwohl und Klimawandel. Hier bieten regional und ökologisch erzeugte Lebensmittel eine große Chance. Die Lieferwege sind kurz und es kann direkt vor Ort, in der Region, ein Unterschied bewirkt werden. Bei der Ganztierverwertung von Bio-Weiderindern in Kantinen bestehen die Herausforderungen in praktischen Fragen der Verfügbarkeit, der Logistik und der Kommunikation. Köche müssen neue Verarbeitungsweisen lernen, Tischgäste sich auf neue Gerichte und ggf. auch Preise einstellen. Wertschöpfungsketten von der Weide zum Teller müssen aufgebaut und gestärkt werden. Um all das zu ermöglichen, arbeiten wir in unserem Projekt daran, das gegenseitige Verständnis zwischen Verbraucher*innen, Verarbeiter*innen, Köch*innen und Landwirt*innen zu erhöhen.

Wie wichtig ist die Stärkung von Junglandwirt*innen in Brandenburg und der Austausch mit Bürger*innen bei Bio-Events mit Blick auf eine zukünftige nachhaltige Landwirtschaft?

Auch im Ökolandbau fehlt es an Nachwuchs, das hat vielschichtige Gründe. Die Branche ist sehr kapitalintensiv, je Arbeitskraft wird mit einem Kapitaleinsatz von rund 600.000 Euro gerechnet. Dazu sind die Preise für Ackerland stark gestiegen, Gründer*innen konkurrieren mit außerlandwirtschaftlichen Investoren um Flächen. Die FÖL unterstützt Junglandwirt*innen mit Beratungs- und Mentoringprogrammen, zudem machen wir uns politisch für eine Junglandwirteförderung und mehr Beratungsangebote stark. Der Austausch zwischen Landwirt*innen und Bürger*innen ist in unserer Arbeit von großer Bedeutung. Wer versteht, warum und wie sich der ökologische Landbau positiv auf Themen wie Artenvielfalt, Tierwohl oder die Bodengesundheit auswirkt, ist jetzt und zukünftig bereit, mit seinem Einkaufsverhalten einen Unterschied zu bewirken.

Das Interview wurde im März 2022 geführt.

Weitere Infos zur FÖL

Bild: FÖL e. V.