3 Fragen an… Philipp Petruch
Bildung Portrait

3 Fragen an… Philipp Petruch, Filmemacher und Aktivist

„Ernte teilen“ erzählt die Geschichte von Landwirt*innen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, die alternative Wege zur konventionellen Landwirtschaft gehen. Welche Rolle spielt dabei die Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) und wie funktioniert ihr Kreislauf?

In meinem Film begleite ich Menschen, die aus den herkömmlichen Strukturen der Landwirtschaft ausbrechen und sich nicht über die freie Marktwirtschaft finanzieren, sondern über regelmäßige Beiträge (verpflichtend für ein Jahr) einer Gemeinschaft – dieser Zusammenschluss nennt sich SoLaWi. Die Gemeinschaft erhält dann wöchentlich Lieferungen der Erzeugnisse in ihre Nähe in sogenannten Verteildepots. Auch die gelegentliche Mithilfe der Ernte-Teiler*innen zu gewissen Arbeitsspitzen ist Teil des Konzepts – so ist die SoLaWi vor allem ein Kreislauf, der Konsument*in und Produzent*in wieder näher zusammenbringt, mehr Einblick in die regionale Landwirtschaft schafft und Menschen die Möglichkeit gibt, sich saisonal von dem zu ernähren, was in ihrem Umfeld wächst. In dieser bedarfsorientierten Herstellungsweise von Lebensmitteln können Faktoren wie Ökologie, mehr Tierwohl, faire Löhne und die Vermeidung von Lebensmittelabfällen in die Erzeugung von Lebensmitteln mit einfließen.

Der Film tourt durch ganz Deutschland. Gibt es zum Projekt auch einen Austausch Politiker*innen?

Ich bin gerade viel Unterwegs mit dem Film und lade zu den Vorstellungen von ERNTE TEILEN auch immer die lokale SoLaWi Initiative ein. Menschen können so erfahren wo sie sich in der Region engagieren und einer SoLaWi anschließen können. Ebenso laden wir politische Akteur*innen und Entscheidungsträger*innen auf die Veranstaltungen ein. Oft entsteht so ein interessanter Diskurs darüber, was auch in der aktuellen Region für Herausforderungen warten, wie SoLaWis auch von der lokalen Politik unterstützt werden können. Im Januar zur Internationalen Grünen Woche wollen wir SoLaWi auch auf Bundesebene sichtbar machen und eine Podiumsdiskussion mit verschiedenen politischen Akteur*innen initiieren.

Welches Potential sehen Sie für eine nachhaltige und klimafreundliche Landwirtschaft in der Metropolregion Berlin Brandenburg und ist deren Umsetzung aufgrund der Bevölkerungsgröße realistisch?

Entscheidend bei SoLaWi ist, dass sich die Anbaupraktiken kreislaufmaßgeblich verändern. Das Wegfallen des Drucks, der sonst durch Einzelhandel und Ansprüche der Kund*innen entsteht, fällt nun weg. Die Landwirt*innen können sich sicher sein, dass ihre Produkte abgenommen werden, komme was wolle. Außerdem sind sie angehalten eine vielfältige Produktpalette im Anbau zu haben, was die Diversität auf den Äckern der SoLaWis aufblühen lässt. Teilweise wachsen dort 50-70 verschiedene Kulturen, das ist um ein Vielfaches mehr als in hochgradig spezialisierten Betrieben. Deswegen hoffe ich, dass es bald mehr von solchen Anbaugemeinschaften in der Metropolregion geben wird, denn der Bedarf ist in einer so einwohnerstarken Region enorm hoch. Das Prinzip ist allerdings bisher nicht so bekannt und auf der politischen Agenda zu wenig vertreten. Ein interessanter Schritt könnte es sein, die öffentliche Versorgung (Kitas, Schulen, Krankenhäuser usw.) über regionale SoLaWis zu versorgen. Ganz Berlin wird man allerdings nicht darüber ernähren können, dafür braucht es weitere ergänzende Lösungsansätze. Aber eines steht für mich fest: Es ist ein interessantes Konzept, welches sich in Ansätzen sicher auch auf andere Bereiche übertragen ließe.

Das Interview wurde im Juli 2023 geführt.

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Bild: Kevin Schaub