In den letzten Jahren traten in Deutschland vermehrt Wetterextreme auf. Welche neuen Schwerpunkte in der Naturrisikenforschung ergeben sich dadurch?
Wetterextreme wie Starkregen oder Hitze treffen uns immer wieder unvorbereitet und führen daher zu immensen Schäden, vor allem in Städten. Hier sind hohe Sachwerte – also Gebäude und Infrastrukturen – und Menschen auf vergleichsweise geringer Fläche konzentriert. Urbane Strukturen selbst können zu einer Verstärkung von Wetterereignissen und ihren Auswirkungen führen: So erhöht Flächenversiegelung den Anteil an Oberflächenabfluss. Das heißt: Weniger Niederschlag versickert und im Fall von intensiven Niederschlägen kann dies zu Überflutungen führen, wenn die Kanalisation das Wasser nicht mehr abführen kann. Dichte Bebauung trägt im Sommer auch zur Ausprägung einer Wärmeinsel bei. Insbesondere die nächtliche Abkühlung ist daher in Städten geringer als im Umland. In der Folge ist die städtische Bevölkerung stärker von gesundheitlichen Auswirkungen von Hitze betroffen. Für den Hitzesommer 2018 gibt das Robert-Koch-Institut (RKI) allein für Berlin 490 hitzebedingte Todesfälle an. Vor allem ältere Menschen sind durch die hohe Belastung des Herz-Kreislauf-Systems gefährdet. Für die Forschung ergeben sich viele Anknüpfungspunkte, um Auswirkungen von Wetterextremen zu vermeiden oder zu vermindern: Insbesondere Raum- und Stadtplanung spielen eine große Rolle bei der Vermeidung von Schäden durch Naturgefahren. Die Frage ist, wie dies am besten gelingen kann: Wo gibt es wirksame Anknüpfungspunkte für die Klimaanpassung und Katastrophenvorsorge in der Planung? Insbesondere die grüne Stadt kann starke Niederschläge, aber auch Hitzewellen abpuffern. Aber wie kann es gelingen, vermehrt Grünflächen oder Begrünung an Gebäuden zu schaffen oder bestehende Grünflächen von Bebauung freizuhalten? Und wie kann die Wasserversorgung der Pflanzen – auch in heißen und trockenen Sommern – sichergestellt werden?
Inwiefern können Anpassungen uns vor zukünftigen Starkregen-Ereignissen schützen?
Vor etwa einem Jahr haben wir im von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Graduiertenkolleg „Naturgefahren und Risiken in einer Welt im Wandel“, kurz: NatRiskChange, eine Online-Befragung in Berlin durchgeführt. Wir haben Menschen, die in den vergangenen Jahren von Starkregen betroffen waren, zu den Auswirkungen, aber auch zu Warnung und Vorbereitung befragt. Ein Bericht wird in Kürze auf unserer Webseite (www.natriskchange.de) erscheinen. Aufgrund der Themendominanz von Covid-19 war es nicht einfach, genügend Personen zu einer Teilnahme zu motivieren. Daher sind die Ergebnisse vorsichtig zu interpretieren. Unsere Daten zeigen, dass Starkregen, wie er in Berlin und Umgebungen vor allem 2017 und 2019 aufgetreten ist, sehr vielfältige Auswirkungen haben kann. Dabei geht es nicht nur um Schäden an Autos oder Wasser im Keller, sondern auch um viele Einschränkungen im Alltag. Insbesondere Menschen, die sich um andere Personen kümmern müssen, erleben dies als belastend. Darauf muss zum einen die Katastrophennachsorge besser eingehen. Zum anderen kann private Vorsorge helfen, Schäden zu vermeiden. Man sollte also eine Unwetterwarn-App installieren oder sich regelmäßig anderweitig über Unwetterwarnungen informieren, einen Notfallplan für den Haushalt aufstellen, wichtige Dokumente in einer Mappe zusammenstellen und einen Notfallkoffer haben. Beobachten Sie genau, wie das Wasser eigentlich ins Haus eintreten kann: Wie sind Zufahrten, Eingänge und Kellerfenster gestaltet? Oft helfen schon kleine Aufkantungen, um diese Wege überflutungssicher zu gestalten. Es gibt bereits gute Werkzeuge und Hinweise wie den Hochwasserpass, die dabei helfen, ein Gebäude überflutungssicherer zu machen.
Welche zukünftigen Synergieeffekte wünschen Sie sich von der Initiative Climate Change Center Berlin Brandenburg?
Das Graduiertenkolleg NatRiskChange und auch das geowissenschaftliche Netzwerk GeoX sind hervorragende Beispiele für eine gelungene Zusammenarbeit zwischen Berliner und Brandenburger Wissenschaftsinstitutionen. Von der Initiative Climate Change Center Berlin Brandenburg erhoffe ich mir spannende Projekte, Synergien und viele Impulse.
Das Interview wurde im April 2021 geführt.
Bild: privat