3 Fragen an… Sara Schurmann
Bildung Portrait

3 Fragen an… Sara Schurmann

Journalistin

Sie kommen aus Brandenburg und beschäftigen sich als freie Journalistin viel mit dem Klimawandel. Allerdings wird das Thema in der bundesdeutschen Berichterstattung, insbesondere bei Politik- und Wirtschaftsbeiträgen, nicht ausreichend integriert. Welche Gründe sehen Sie dafür?

In den Redaktionen fehlt es an ausreichendem Wissen zur Klimakrise. Es gibt zwar mittlerweile meist ein, zwei Expert*innen in der Redaktion. Angesichts der Dringlichkeit und Bedeutung der Krise, müssten aber alle Journalist*innen grundlegendes Wissen haben, um aktuelle Entwicklungen in Redaktionskonferenzen informiert zu diskutieren und angemessen priorisieren zu können. Die Klimakrise wird stattdessen oft noch immer wie ein Thema unter vielen behandelt. Dabei muss die Klimakrise als eine Dimension mehr oder weniger jedes Themas überall mitgedacht und ihre vorhandenen Zusammenhänge transparent gemacht werden. Um diese und mögliche Lösungen qualifiziert und verständlich einordnen zu können, braucht es Vorwissen. Journalist*innen sind oft Generalist*innen, das ist in der Klimaberichterstattung ein Problem. Wer eine Recherche zu aktuellen Themen ins Blaue hinein startet, kann Lobbynarrative nicht von fundierter Kritik und echten Problemen unterscheiden und entsprechend einordnen. Das Ergebnis ist allzu oft False Balance in der Berichterstattung, die Probleme umstrittener wirken lässt als sie wirklich sind.

Wie können bisher weniger informierte Menschen gezielter und nachhaltiger erreicht werden, um die gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen durch die Klimakrise besser zu verstehen?

Ich bekomme die Frage öfter gestellt und finde sie ehrlich gesagt schräg. Das größte Problem sind derzeit nicht bildungsferne Bevölkerungsgruppen, sondern dass jene, die grundsätzlich gut informiert sind – Journalist*innen, Politiker*innen und andere Entscheidungsträger*innen – das Ausmaß und die Dringlichkeit der Krise nicht ausreichend begriffen haben und ebenso wenig, was realistische Lösungen sind. Es ist in der Klimakrise bisher nicht so, dass wir politisch im Krisenmodus angemessene und effektive Lösungen diskutieren würden und diese dann aufgrund mangelnder demokratischer Zustimmung nicht umgesetzt bekommen. Der öffentliche Diskurs ist Lichtjahre vom wissenschaftlichen Diskurs entfernt und das liegt nicht an der breiten Öffentlichkeit, sondern an den Entscheidungsträger*innen und Meinungsführer*innen. Dafür gibt es ein ganzes Netz aus unterschiedlichen Gründen, in allen beteiligten Feldern: Wissenschaft, Politik, Journalismus, selbst im Aktivismus. Alle kommunizieren nach ihren eigenen Systemlogiken, die die Gegenseite nicht versteht und hören dann von den anderen vor allem das, was sie eh schon glauben. Diese Scheindebatten müssen wir durchbrechen, wir reden gesellschaftlich aneinander vorbei.

Das Climate Change Center Berlin Brandenburg möchte u.a. den Wissenstransfer rund um Klimathemen stärken. Was wünschen Sie sich für die Zukunft hinsichtlich des Austausches und der Zusammenarbeit zwischen Journalist*innen und Wissenschaftler*innen?

Wir Journalist*innen müssen einsehen, dass wir bedeutende strukturelle Probleme in der Klimaberichterstattung haben, so dazu beitragen, den Diskurs zu verzerren und dass wir von Wissenschaftler*innen lernen müssen. Wissenschaftler*innen müssen dafür klarer und aus meiner Sicht auch emotional authentisch kommunizieren. Um das Ausmaß der Klimakrise zu begreifen, braucht es mehr als wissenschaftlich abgesicherte Fakten und positive Narrative – eine Kommunikation die sich darauf konzentriert, ist gescheitert und wird es weiterhin tun. Was wir brauchen, ist eine klare und lösungsorientierte Kommunikation, die Wege und Lösungen genauso verständlich aufzeigt wie Grenzen und Konsequenzen.

Das Interview wurde im Juni 2022 geführt

Bild: Rebecca Rütten