Sie sind seit 2021 Präsidentin der Architektenkammer Berlin bzw. seit 2022 Präsident der Architektenkammer Brandenburg. Welche Ziele haben Sie sich persönlich gesetzt und welche Rolle spielt dabei die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg?
Theresa Keilhacker (TK): Gemeinsam mit meinen kompetentesten Kolleginnen und Kollegen möchte ich das Planen und Bauen mit Rücksicht auf Klima-, Ressourcen-, Bodenschutz und Partizipation vorantreiben. Grundlage ist dabei das 3-Säulenmodell zur Nachhaltigkeit, das wir in einem ganzheitlichen und ausgewogenen Ansatz von Ökologie, Ökonomie und soziokulturellen Belangen betrachten. Wir denken in Kreisläufen und setzen uns das Ziel, mit resilienten und baukulturell starken Strategien die Bauwende im Bereich Stadtplanung, Architektur, Innenarchitektur und Landschaftsarchitektur voranzutreiben. Sanieren und die Entwicklung von Bestandsstrukturen gehen dabei vor Neubau. Mit dem Motor der IBA Berlin-Brandenburg wollen wir die Hauptstadtregion zum Experimentierraum für diese Themenfelder machen und in Reallaboren den Paradigmenwechsel einleiten.
Andreas Rieger (AR): Aus meinem langjährigen politischen und berufspolitischen Engagement heraus sehe ich Partizipation im Bau- und Siedlungswesen als den zentralen Baustein für klimagerechtes und nachhaltiges Planen und Bauen an. Diesen Baustein haben wir als eigenständigen Beitrag zum beschlossenen Klimaplan Brandenburg formuliert. Aus Sicht beider Architektenkammern ist klar, dass das Planung- und Baugeschehen in der Hauptstadtregion Berlin Brandenburg von beiden Länder gemeinsam entwickelt wird. Daher schlagen wir zur Umsetzung des gemeinsamen Landesentwicklungsplanes in den jeweiligen Kommunen ein lange bekanntes, hier jedoch neu zu formulierendes Baukulturformat vor: eine Internationale Bau(Kultur)ausstellung.
Der Bausektor ist mit ca. 38% der globalen CO2-Emissionen einer der größten Emittenten. Welche konkreten Maßnahmen zur Klimaanpassung können beim Thema Bauen mittel- bzw. langfristig in unserer Region umgesetzt werden?
TK: Der Bausektor muss kreislaufgerecht werden, da ist noch ein weiter Weg hin. Aber Die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg bietet reichlich Potential, dieses Thema mit Kooperativen und vielen engagierten Menschen hinzubekommen; entlang der regionalen Wertschöpfungskette und im Rahmen einer Baukulturausstellung muss ein Experimentierraum erschaffen werden, der Innovationen fördert, Impulse setzt und einen klugen und langfristig tragfähigen Rahmen für die seitens der Politik angekündigten Investitionen setzt.
AR: Mehr noch: Das Bau- und Siedlungswesen ist durch die Gewinnung, Weiterverarbeitung, Transport und Einbau der Baustoffe und Bauteile sowie durch Betrieb und Unterhalt der daraus gefertigten Gebäude und Bauwerke wie letztendlich auch durch Abriss und Entsorgung dieser hauptverantwortlich für die Umwelt- und Klimakrise und den überwiegenden Teil der Emissionen (vgl. Schellnhuber/Sobek Konvent der Baukultur). Als Brandenburgische Architektenkammer fordern wir geeignete Planungsverfahren und gesetzliche wie wirtschaftliche Rahmenbedingungen für klimagerechtes Planen und Bauen. Die Kommunen und die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften wie auch private Bauherren sollen motiviert und qualifiziert werden, klimagerechtes und damit ressourceneffizientes Planen und Bauen in ihren alltäglichen Planungs- und Bauaufgaben umzusetzen. Die Bauordnungen und eingeführte technische Baubestimmungen sollen auf den Prüfstand gestellt werden. Die Länder sollen im Eigenbau hier eine Vorreiterrolle einnehmen.
Als Mitglieder im neuen Expert*innen-Rat des Climate Change Center Berlin Brandenburg vertreten Sie jeweils ein Bundesland. Welche Erwartungen und Wünsche haben Sie an dieses Gremium in Bezug auf die Zusammenarbeit in der Metropolregion?
TK: Die planetaren Grenzen werden immer enger und unser Handeln muss konkret werden. Mit dem Gremium können wir entscheidende Weichen für die Bauwende stellen, um das 1,5 Grad Ziel zu erreichen bzw. nicht zu drastisch zu reißen.
AR: Die Brandenburgische Architektenkammer vertritt ihre Mitglieder, deren Interessen in ganz Brandenburg und die anerkannten Herausforderungen des Bau- und Siedlungswesens im Allgemeinen wie auch gemeinsam mit der Architektenkammer Berlin die gemeinsamen Interessen der Hauptstadtregion. Aus meiner Sicht kann ein Expert*innen-Rat erfolgreich sein, wenn es gelingt die Herausforderungen des klimagerechten Planens und Bauens auf die kommunale Ebene, also in die Städte und Gemeinden in Brandenburg und in die Berliner Bezirke zu bringen.
Das Interview wurde im Oktober 2022 geführt.
Bild: Architektenkammer Berlin / Architektenkammer Brandenburg